Das Kindergeld in Deutschland (Familienausgleich nach dem Einkommensteuergesetz) gehört seit 1996 zum Steuerrecht und wird zur Steuerfreistellung des elterlichen Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes gezahlt. Die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kindergeld stellen die §§ 32, 62 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) dar. Das Bundeskindergeldgetz (BKGG) regelt ergänzend sozialtrechtliche Kindergeldansprüche. Diese Ansprüche bestehen aber nur nachrangig.

In Sachverhalten mit EU-Auslandsbezug ist in bestimmten Konstellationen (z.B. die Kinder wohnen in EU-Ausland, die Eltern in Deutschland) auch das EU-Recht zu berücksichtigen.

Anspruchsvoraussetzungen


  1. 1. Anspruchsberechtigter Personenkreis

Nach § 62 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn ein Elternteil

– einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder

– im Ausland wohnt, aber in Deutschland entweder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

Ein sozialrechtlicher Kindergeldanspruch nach dem BKGG kann nur dann bestehen, wenn ein Anspruch nach dem EStG ausscheidet. Dies kann bei Personen gegeben sein, die im Ausland wohnen und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, aber in anderer Weise mit dem deutschen Arbeits-, Dienst- und Sozialrechtssystem verbunden sind oder Personen, die Kindergeld für sich erhalten.

Bei Sachverhalten in denen die Lebens- oder Arbeitssituation der Eltern Bezüge zu anderen Staaten der Europäischen Union aufweist, sind bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung auch EU-Regelungen heranzuziehen, insbesondere die ab dem 1. Mai 2010 geltenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und die Bestimmungen der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009.

Nach Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 kann eine Person auch für Angehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, einen Kindergeldanspruch in Deutschland haben.

  1. 2. Kinder, die zu berücksichtigen sind

Nach § 63 Abs. 1 S. 3 EStG sind Kinder, die einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder in einem anderen EU-Land haben, zu berücksichtigen.

Der Begriff „ Kind“ ist in §§ 32 Abs. 1 EStG definiert. Das BKGG enthält in § 2 BKGG eine entsprechende Regelung.

Nach diesen Normen besteht grundsätzlich für alle Kinder ab der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Kindergeld. Der Bezugszeitraum verlängert sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres bei arbeitslosen Kindern, die bei einer Agentur für Arbeit im Inland oder einer staatlichen Arbeitsvermittlung in einem anderen EU-Land als Arbeitssuchender gemeldet sind. Bei Kindern, die für einen Beruf ausgebildet werden, kann Kindergeld bis zum vollendeten 25. Lebensjahr weitergezahlt werden. Für ein Kind mit Behinderung kann Kindergeld prinzipiell über das 25. Lebensjahr hinaus ohne Altersbegrenzung bezogen werden.

  1. 3. Zusammentreffen mehrerer Ansprüche

Gem. § 64 I EStG wird Kindergeld nur einer Person gewährt. Bei mehreren Berechtigten ist die Haushaltsaufnahme Anspruchsvoraussetzung und Konkurrenzlösung. Dies gilt insbesondere auch bei Trennung oder Scheidung der Eltern sowie bei Aufnahme der Kinder in Haushalt der Großeltern.

Bei Sachverhalten mit EU-Auslandsbezug stellt sich die Frage der Kindergeldberechtigung in bestimmten Konstellationen schwierig und tückisch. Hier stellt Art. 68 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf. Demnach richtet sich der Kindergeldanspruch nach dem Wohnort der Kinder, also bei im EU-Ausland lebenden Kindern nach ausländischem Kindergeldrecht.

Ziel dieser Prioritätsregeln ist die Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen.

In der Regel ist die Höhe des Kindergeldanspruchs in Deutschland höher als der im Ausland. Dann muss von der Familienkasse zumindest der Differenzbetrag zwischen dem ausländischen Kindergeld und dem deutschen Kindergeld gezahlt werden.

Nach Art. 60 Abs. 1 S. 2 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 ist bei der Prüfung die Situation der gesamten Familie zu berücksichtigen. Die Familienkasse lehnt in vielen Fällen den Antrag auf Kindergeld unter Verweis auf das sogenannte Obhutsprinzip nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ab.

Nach bisher überwiegender Auffassung der deutschen Finanzgerichte kommt es jedoch gar nicht auf das Obhutsprinzip an, da die Person im Ausland nicht Anspruchsberechtigte i.S.d. §§ 62 ff EStG sei.

Die Frage, wie solche Fälle zu behandeln sind, ist von der Rechtsprechung nicht geklärt. Der EuGH hat mit seinen Ausführungen im Urteil vom 22.10.2015, C-C-378/14 keine endgültige Klarheit gebracht. Die Luxenburger Richter beantworteten die Vorlagenfragen nicht eindeutig und stellten klar, dass es der zuständigen nationalen Behörde zu bestimmen obliegt, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben. Daher wird nun der Fragenkomplex auf nationaler Ebene vom Bundesfinanzhof weiter zu behandeln sein. Seine Ausführungen bleiben abzuwarten.

In vergleichbaren Fällen ist zu empfehlen, Anträge auf Kindergeld zu stellen und bei einer Ablehnung von der Familienkasse form- und fristgerecht Einspruch einzulegen. Des Weiteren ist bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

  1. 4. Den Kindergeldanspruch ausschließende Leistungen

Schließlich sind gem. § 65 Abs. 1 EStG kinderbezogener Doppelleistungen ausgeschlossen. In Fällen mit EU-Auslandsbezug kann ein Kindergeldanspruch jedoch bestehen. Die EU-Leistung ist anzurechnen, sodass im Ergebnis nur ein Differenzgeld gezahlt wird

Antrag, Zuständigkeit, Verjährung

Das Kindergeld ist bei der zuständigen Familienkasse schriftlich innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren zu beantragen.

Rechtsschutz gegen die Entscheidung der Familienkasse

Die Behörde ist verpflichtet, ab Antragstellung innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung zu treffen. Danach kann der Antragsteller eine Untätigkeitsklage beim Gericht einreichen. Gegen die Entscheidung der Familienkasse kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch eingelegt werden und im Fall eines Negativbescheds darüber eine Klage erhoben werden.

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